Die Rheinberger Kinder erzählten sich vor Jahren, es habe früher einen geheimen unterirdischen Gang vom spanischen Vallan in die Stadtmitte gegeben. Der Ort, an dem dieser Gang münden sollte, wechselte, mal war es das Rathaus, mal die Kirche, mal war er unbestimmt.
Es erscheint recht unwahrscheinlich, dass man einen Außenposten der Stadtbefestigung derart verwundbar macht, dass ein Angreifer von dort aus ohne die Hindernisse des Wallgrabens etc. in die Stadt vordringen könnte. Das hübsche Türmchen, das heute auf der Fläche dieser ehemaligen Befestigung steht, wurde zudem erst gebaut, als Rheinberg schon keine Festung mehr war.
Von den statischen Herausforderungen eines derartigen Tunnels ganz zu schweigen.
Postkarten aus der Zeit um 1900 zeigen aber, wo diese Erzählung ihren wahren Kern haben könnte: Spanischer Vallanturm: Die Sache mit dem unterirdischen Geheimgang weiterlesen
Rheinberg Pulverturm
Übersetzung der lateinischen Inschrift
Westerburgensis Sifridi Coloniensis
presulis imperio rheni custodia Fio
me fiere fecit Franco me fabricat arte
Henricus Lu###s non pugno marte sed arte
#### inscriptum renovatum 1932
Für eine flüssige Übersetzung hat das Latinum nicht gereicht. Einstweilen steht sie hier nur als Merkposten.
Spanischer Vallan
Der weiße Turm mit dem schwarzen Dach und den grünen Blendläden im Rheinberger Stadtpark heißt seit Jahren „Spanischer Vallan“. Auch eine Pumpennachbarschaft trägt diesen Namen.
Über die Geschichte des Bauwerks ist aber wenig veröffentlicht. Sein ungewöhnlicher sechseckiger Grundriss lässt ihn leicht „spanisch“ erscheinen, aber das ist sicher nicht der Grund für die Namensgebung.
Der Standort war früher Teil der neuzeitlichen Stadtbefestigung mit hohen Wallanlagen, mehreren Wassergräben und dazwischenliegenden Erdwerken, sogenannten Ravelins. Im Stadtpark erkennt man die Kanten dieser Aufschüttung noch gut, weil der Vallanturm nicht nur auf einem Hügel steht, sondern auch das Gelände drumherum in Richtung Westen (zum Freibad und zum Moersbach hin) deutlich abfällt.
Schaut man in ältere Unterlagen, so sieht man bald, dass nicht der Turm, sondern das ganze Areal als Vallan oder auch Fallan bezeichnet wird.
Das älteste mir bekannte Beispiel ist ein Festungsgrundriss eines Zeichners namens Schlöhede (o.ä.), der im schwedischen Kriegsarchiv verwahrt wird und inzwischen als Digitalisat verfügbar ist. Diese – leider undatierte – Karte stammt vermutlich aus der Zeit 1630-1648 und verzeichnet die Namen der verschiedenen Bauteile der Rheinberger Stadtbefestigung. U.a. mit dem Buchstaben O gekennzeichnet einen Ravelin mit der Bezeichnung „Spanischer Anfall“.Festungsgrundriss Rheinberg mit den Namen der Bollwerke und sonstigen Bauteile (1630-1648)
Ich habe die Beschriftungen aus der Legende in schwarz in die Karte übertragen und die Kontraste etwas verändert, damit das Ganze leichter lesbar wird und stelle sie hier zur Verfügung:
Originalquelle: Kupferstich „Rheinberg. Geometrische Grundt Riss Der Festunge Rheinberg, wie solche mit Ihrer Fortification umgeben.“ Zum Archiveintrag Direkt zum Digitalisat der Karte im schwedischen Reichsarchiv (https://sok.riksarkivet.se/bildvisning/K0006564_00001) Das Bauteil befindet sich auf der Karte links oberhalb der Mittelfalz
Spätere Vorkommen gibt es z.B. in einer Akte mit dem Titel „Beihilfe für den ’Turm auf der spanischen Fallan, Rheinberg, Kreis Moers“ aus den Jahren 1937-1938.
Oder auch in in diesen Akten im Landesarchiv Rheinland: Verpachtung der Gouverneursgärten zu Rheinberg (betr. die Gärten auf dem äußeren Wall, den Spanischen Vallan und den Platz der Antoniuskirche) und Verpachtung der Spanischen Vallan zu Rheinberg (Pächter Schultheiß C.F.A. Erlenwein 1764, Amtsverwalter d.Scheffer 1793).
Hier fällt zweierlei auf:
- „Vallan“ bezeichnet offenbar nicht den Turm, sondern das Areal (möglicherweise den früheren Ravelin).
- Und außerdem schreibt sich das Ganze hier noch mit „F„
Andere Vorkommen von „Spanischer Anfall“
Die Bezeichnung „spanischer Anfall“ wird in der zeitgenössischen Literatur nicht nur für die territoriale Zuordnung Spaniens an ein anderes Herrscherhaus verwendet („spanischer Anfall an Österreich“), sondern auch als Ortsangabe:
Weiterer Verlauff mit Ostende vom 25. May bis zu End des Juni.
Den 25. May ist inn Ostenende der Stadischen Minirer La Cron und den 26. hernach der Coronel Verburch geschossen worden / Diesen Tag sind die Conterscherpen aussen am newen Wall bestellt worden.
(…) Den 28. haben die Spanischen das newe abgeschnitten Werck von Porsepick gesprengt, so daß der Stadischen 20 geblieben, welche auff der Spanischen Anfall nach der Statt zu wichen, und dismal wol ein nahmhafftigs verloren gaben, da die sich wol hetten stand ohn mehrern schaden können halten, dann die Presse oder Loch vom sprengen war nit so groß als sie wol meinten. In diesem Anfall der Spanischen ist ein Stadischer Fendrich erschossen und der Capitän Lanz Kron verlohren worden, welcher, wie man hernach vernommen, bey den Spanischen gefangen gesessen. (…)
Kupferstiche der Stadt Rheinberg
Kupferstiche zeigen die Stadt und machen Stadtgeschichte anschaulich. Früher gab es sie nur bei Sammlern oder in großen Archiven zu besichtigen. Oft genug stammen sie aus größeren Sammelbänden, die dann von Verkäufern aufgetrennt und einzeln verkauft wurden.
Viele Bibliotheken stellen inzwischen Digitalisate der Hauptwerke ins Internet. Auf diese Weise sind die Stiche nun für jedermann abrufbar und jeder kann sie bequem von zuhause aus studieren.
Wenn ich Quellen auftun kann, dann schreibe ich sie hierher.
Thooneel der Steden ende sterckten van t’Vereenight Nederlandt
Autor / Hrsg.: Peeters, Johann ; Bouttats, Gaspar ; Peeters, Johann ; Bouttats, Gaspar Verlagsort: Antwerpen
Erscheinungsjahr: s.a. [nach 1685]
Verlag: de Pazzi
Permalink: http://mdz-nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:12-bsb11165159-7
Kommentar:
Stadtansicht von Rheinberg von der Rheinseite aus, mit sehr starken Befestigungen; stellt auch die evangelische Kirche dar
Blaeu/Bleau: Theatrum ichnographicum…
Hier: Abbildungen, die bei Ute Geißler, „Die Stadt Rheinberg am Niederrhein und ihre Befestigungsanlagen“ im Abbildungsverzeichnis enthalten sind.
„Abb. 14 Ausschnitt aus dem Festungsgrundriß Rheinberg 1696 (52 x 36 cm)
Kupferstich von W. J. Bleau, verlegt von F. de Wit Amsterdam
Aus: Theatrum ichnographicum omnium urbium…“
Eigene Recherche:
„Theatrum ichnographicum omnium urbium et praecipuorum oppidorum Belgicarum XVII provinciarum“ gibt es zwar als Digitalisat bei der niederländischen Nationalbibliothek (KB), allerdings enthält es keinen Plan von Rheinberg, weder im Inhaltsverzeichnis (p. 2) Rheinberg o.ä., noch in den Abbildungen.
Toonneel der steden van de Vereenighde Nederlanden, met hare beschrijvingen
Blaeu, Joan, 1596-1673.
enthält drei Kupferstiche, die die Stadt Rheinberg zeigen:
- Bl. 315: „RHENOBERKA“ – Festungsgrundriss (nur Befestigungsanlagen, ohne zivile Gebäude o.ä.), ohne Datumsangabe
- Bl- 317: „Rhenoberca obsessa et capta arnis ordinum Belgicae federatae ductu III Principis Mauritii Nassovii Arausionensium Principis Naßaviae Comitis, etc. Anno 1601“
- Bl. 319: „Obsidio Rhinbercae ad vivum expressa cum suis dimensionibus ex mandato Execellentissimi Frederici Henrici Nassovii Principis. Auraici opera celebris et ingeniose Petri Manteau et Iajobi Culen-burgh Anno 1633“
(sehr detailreiche Karte von Rheinberg und Umgebung während der Belagerung 1633)